em 2008. meine "ode an den FÜessball"

(Foto Michael Lang 2008)
(Foto Michael Lang 2008)

Anlässlich der UEFA-Fussball-EM 2008 (Österreich/ Schweiz) gab der Verleger, Buchhändler  Fussball-Liebhaber Ricco Bilger die Gratis-Broschüre "90 MINUTEN : 90 MINUTES : 90 MINUTI heraus: "Eine Hommage von Fussball-Verrückten aus der Schweizer Literaturszene an die Magie und die Magier des Fussballs," Mein Beitrag befasst sich mit dem Spiel-Objekt der "ballistischen" Begierde per se: Dem Fussball.

Ode an den "Füessball"

PLEASE, LET ME INTRODUCE MYSELF

"Ich werde getreten, gestossen, geschleudert, eingeworfen, abgeworfen,

geschlenzt, angeschnitten, geköpfelt, aufgepumpt, blutbefleckt,

mit "Dulix" getränkt, Hundescheisse verschmutzt, von

Katzen geleckt, platt gesessen, durchgelassen oder festgehalten.

Klebe magnetisch am Fuss, werde weggefaustet, hechtgeköpfelt,

Volley genommen, im Fallen rückgezogen, spitzgekickt, Aussenrist

gepasst, Innenrist geschoben, an die Latte gelupft, an den

Pfosten gedonnert, direkt gespielt, abgelenkt, als Penalty verwandelt,

absatzgekickt, gedribbelt, verpasst, doppelgepasst, kurzgepasst,

fehlgepasst, quergespielt, ins Aus geschubst, ins Abseits

gezirkelt, mit dem Fuss gestreichelt, saubergerieben, geflankt,

jongliert, handgespielt, geküsst, gequetscht, weggeworfen, liegengelassen,

vergessen, geklaut, als Kerze zum Himmel gesandt, im

Trikotschweiss gebadet. Ich werde neu erfunden, ausgetauscht,

gesucht, verloren, gefunden, verflucht, angehimmelt, beschworen,

verregnet, sonnenverbrannt, windverweht, freigestossen, mit der

Brust gestoppt, verstolpert. Und signiert.

Ich spreche alle Sprachen und die Luft geht mir nie aus.

Ich bin das Herzstück der schönsten Nebensache der Welt. 

"Dr Füessball."

  

buch. fcz (2010). ein deutscher wird zur fcz-legende

Als Fussball-Aficionado seit immer und langjähriger Amateur-Spieler hatte ich die Ehre,  einen Beitrag im Band "FCZ - Eine Stadt. Ein Verein. Eine Geschichte" (Hrsg. von Michael Lütscher im Verlag Neue Zürcher Zeitung 2010) zu verfassen. Autobiografisch unterfüttert behandelte ich die legendäre Ära des FCZ-Präsidenten Edi "Stumpen" Nägeli in den 1960erjahren. Wo der deutsche Starspieler Klaus Stürmer (1935-1971) zusammen mit dem Schweizer Jakob "Köbi" Kuhn und dem Italiener Rosario "Rosa" Martinelli national wie international Furore machten. Im Aufsatz "Ein Deutscher wird zur FCZ-Legende" versuche ich, die Strahlkraft des mit nur 36 Jahren verstorbenen Klaus Stürmer einzuordnen. 

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Ein Deutscher wird zur FCZ-legende

Mein Respekt für Klaus Stürmer fusst

auf der ersten Begegnung mit einer

anderen FCZ-Ikone. Um 1960 brachte

ein Schulfreund einen ein paar Jahre

älteren Italiener zum «Bällele» auf einem

Garagenplatz in Wetzikon mit: Rosario

Martinelli. Er war spindeldünn, scheu,

sagte kein Wort. Wir trauten ihm nichts

zu. Doch als er anfing, den lausigen

Ball mit seinen abgewetzten Strassen-

schuhen zu streicheln, waren wir baff.

Als «Rosa» bald darauf im FC Wetzikon

auflief, staunten wir. Und als ihn FCZ-

Präsident Edi Naegeli in den Letzigrund

lotste, mutierte er zum Aussergewöhn-

lichen. Bald überzeugte er zusammen

mit Köbi Kuhn und einem anderen neuen

Spieler: dem 27-jährigen deutschen In-

ternationalen Klaus Stürmer.

1935 im norddeutschen Glinde ge-

boren, setzte der gelernte Radio-

mechaniker Stürmer in den fünfziger

Jahren – mit seinem Freund und «Fuss-

ballzwilling» Uwe Seeler – im Ham-

burger SV Glanzpunkte. Nach der Meis-

terschaft von 1961 wollte er sein Talent

in der AC Milan vergolden. Das Vorhaben

scheiterte aber am italienischen Im-

portstopp für Ausländer. Zum Glück,

denn so kam der FCZ zu einer stilbilden-

den Nummer 10. Trainer Louis Maurer

und sein verlängerter Arm Klaus Stürmer

dirigierten 1962 /63 eine famose Equipe

mit Jungspunden und Routiniers zum

ersten Meistertitel nach 39 Jahren.

Mein Freund und wandelndes Sport-

lexikon Heinz Schlagenhauf beschreibt

ihn so: «Er war Denker und Lenker, ein

ausgezeichneter Techniker, ball sicher,

torgefährlich, immer anspielbar, ruhig,

fair, mannschaftsdienlich.» Und seine

Tricks, Schüsse aus der Drehung und

Fallrückzieher brachten einen Hauch von

lateinischer Grandezza nach Zürich.

Dass der Spieler mit seiner eleganten

Haartolle im Stil des Filmstars Hardy

Krüger auch das Klischee vom arrogan-

ten Deutschen pulverisierte, belegt unter

anderem ein Zitat aus einem Interview

mit dem Schweizer Fernsehen: «Die

Züricher haben eine junge, technisch

gute Mannschaft. Ich glaube, dass ich

mich da gut einleben werde. Die

Kameraden machen es mir sehr leicht.»

Und umgekehrt – er galt als der beste

Söldner im Schweizer Fussball. Stürmer

symbolisierte den Beginn der golde-

nen FCZ-Jahre, die uns Halbstarke faszi-

nierten: Fussball, Beatmusik und Kino

waren (noch) wichtiger, als ein «Schätz-

li». Per Autostopp, Velo, selten mit dem

Zug, pilgerten wir sonntags zum Kick-

ballett mit Wurst und Durst auf den

«Letzi». Wenn Stürmer und seine Muske-

tiere auswärts spielten, klebten wir am

Radio und lauschten Reportern wie

Jean-Pierre Gerwig, Gody Baumberger

oder Sepp Renggli. Mit anschwellender

Pubertät galt als fussballkompetent, wer

im «Chreis Cheib» oder im «Dörfli» eine

FCZ-Grösse beim Umtrunk, Jassen oder

Flirten mit einem «Chätzli» erspähte.

Von Stürmer ist diesbezüglich nichts be-

kannt. In der Saison 1964 /65 wurde

der Star ohne Allüren als «überzähliger

Ausländer» zu den Young Fellows ab-

geschoben. Welche Demütigung! Zum

Glück holte ihn «Stumpen-Edi» nach

einer missratenen Saison zurück.

Ob Klaus Stürmer ahnte, was das

Schicksal für ihn bereithielt? Seine

Vita nahm die Züge einer griechischen

Tragödie an. Er versuchte sich ohne

Glück als Spielertrainer in Grenchen,

widerstand angeblich den Avancen der

Grasshoppers und liess, wie andere

FCZ-Grössen, seine Karriere im FC

Winterthur ausklingen. 1970 trat er zu-

rück, erkrankte an Krebs, verstarb

am 1. Juni 1971. Als Ehemann und Vater

eines Sohnes, keine 36 Jahre jung.

Klaus Stürmer hat unseren Verein

an der Nahtstelle zum modernen Fuss-

ball geprägt, befruchtet, mit seiner

Haltung geadelt. Er war der gute Deut-

sche aus Glinde – und ist längst eine

Legende.

MICHAEL LANG

Klaus Stürmer war die treibende Kraft für die

beiden Meistertitel 1963 und 1966, und der beste Ausländer

seiner Zeit in der Schweiz.

Typisch:4 0 Stürmers akrobatische

Haltung im Spiel, 1966.

Mit Puskas:4 1 Stürmer beim

Meistercup-Halbfinal 1964 gegen

Real Madrid.

4 0

 

41

 

(Foto Michael Lang)
(Foto Michael Lang)